Robert Simon    
   
Leuchtende Vorbilder / Kunstprojekt erleuchtet die City                         
 
Es werde Licht!
 
 

Von Simon Benne


Foto: Dröse

Licht verändert nichts. Und doch verändert es alles, weil es die Wahrnehmung verändert. Vom Licht hängt es ab, ob ein Gegenstand im Glanz erstrahlt oder im Schatten steht. Die entsprechende Beleuchtung lässt uns Altvertrautes buchstäblich in einem neuen Licht erscheinen – das gilt sogar für so unscheinbare Dinge wie die breiten Bürgersteige der Georgstraße. Bei dem Lichtkunstprojekt „Leuchtende Vorbilder“ sollen dort vom 19. Dezember an die Gesichter von zehn namhaften hannoverschen Persönlichkeiten auf dem Trottoir aufstrahlen – in zwei Meter breiten Lichtkegeln. Die dafür nötigen Spezialprojektoren werden an Straßenlaternen in fünf Meter Höhe angebracht. „Es geht darum, ein Stück Identität der Stadt zu beleuchten“, sagt Robert Simon doppelsinnig. Der Galerist hat das Projekt gemeinsam mit Bürgermeister Stephan Weil initiiert. Mit dem Historischen Museum wurden aus Hunderten von bedeutenden Hannoveranern zunächst zwanzig Persönlichkeiten ausgewählt. „Auf dieser Vorschlagsliste sind weltberühmte Größen wie Leibniz, doch viele andere werden in der Stadt bislang noch nicht durch ein Denkmal gewürdigt oder durch ein Gebäude, das ihren Namen trägt“, sagt Robert Simon. „Viele von ihnen waren Kulturschaffende, doch es sind auch Politiker, Wissenschaftler oder Unternehmer darunter.“ Jeder HAZ-Leser kann bei einer Abstimmung (siehe Kasten rechts) für seinen Favoriten votieren. Die zehn beliebtesten Persönlichkeiten werden dann mit einem Lichtkegel geehrt.

Gesponsert wird das Projekt von den Stadtwerken: „Es geht darum, einen Teil von Hannovers großer Vergangenheit ins rechte Licht zu rücken – und dafür sind wir gewissermaßen Experten“, sagt Stadtwerke-Chef Michael Feist schmunzelnd. Entlang der Georgstraße entsteht damit eine Lichtkunstmeile, die von der nachts rot glühend erleuchteten Fassade des enercity expo cafés bis zum Aegi führt. Auf Höhe des Opernplatzes werden vier Porträts aufs Pflaster projiziert. Zwei weitere schließen sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite südlich der Baringstraße an. Dann folgen am Georgsplatz die acht erleuchteten Glasbausteinbänke des Schweizer Künstlers Francesco Mariotti, und Richtung Aegi erstrahlen noch vier weitere „Leuchtende Vorbilder“ auf dem Bürgersteig.

Die Lichtkunstbänke, die Robert Simon dort bereits vor mehr als zwei Jahren aufstellen ließ, sind Funktionsskulpturen und dienen nebenbei als innerstädtische Sitzmöbel. Die „Leuchtenden Vorbilder“ halten der Stadt gewissermaßen einen Spiegel vor: „Für jeden Ort ist es wichtig, mit den Persönlichkeiten bekannt zu sein, die das Gemeinwesen geprägt haben“, sagt der Künstler Vollrad Kutscher, der die zehn Lichtporträts schaffen wird. „Es geht um Menschen, die das geistige Profil einer Stadt mit entwickelt haben.“

Tatsächlich bilden die Konterfeis der Geehrten ein Stück Stadtgeschichte ab – und sie sollen zugleich Denkanstöße bei der aktuellen Suche nach Orientierung und Heimat sein. Zählt man die altehrwürdigen Denkmale von Marschner, Karmarsch und Stromeyer entlang der Georgstraße dazu, entsteht hier eine Gedenkmeile ganz eigener Art, bei der jede Epoche ihren eigenen Stil eingebracht hat.

Momentan ist Lichtkunst en vogue: Nach Stein, Glas und Stahl ist jetzt Licht der Stoff, aus dem die Kunst im öffentlichen Raum ist. Die Leuchtkörper sind in den vergangenen Jahren billiger und effizienter geworden, die Projektortechnik ist mittlerweile hoch entwickelt – auch daher leisten sich viele Großstädte inzwischen „Lichtbeauftragte“, die darüber wachen, wie ihre Metropole ausgeleuchtet wird. Ein Hauch von Vergänglichkeit haftet dieser Kunstform stets an: Sie ist immateriell; nicht Skulptur, nicht Leinwand, und sie ist durch einen Knopfdruck wieder aus der Welt zu schaffen. Doch sie hat auch die Macht, Wirklichkeit zu verfremden, indem sie mit dem schönen (Licht-)schein spielt. Und bei den „Leuchtenden Vorbildern“ zeigt sie die Gesichter einer Stadt, indem sie einer Stadt ihre Gesichter zeigt.

Hannoversche Allgemeine Zeitung, 22.11.2007


 
zurück
 
weiter